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Geschichte der Wirgeser Glasfabrik Teil 1 1891 - 1901/1902
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| „Fabrik feuer- und säurefester Produkte
Aktien Gesellschaft mit dem Sitz in Vallendar“ |
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Am 31.05.
1884 wurde die
Eisenbahnstrecke (Limburg) – Staffel –Siershahn eröffnet.
Wenige Jahre später
entstanden in Wirges umfangreiche Fabrikanlagen.
Die „Fabrik feuer- und
säurefester Produkte Aktien Gesellschaft mit dem Sitz in Vallendar“
errichtete in unmittelbarer Nähe des Wirgeser Bahnhofes eine
Schamottefabrik. Mit über 2000 Arbeitern wurde im Jahre
1891
mit dem Bau der Werksanlagen begonnen.
1894 begann mit 310 zumeist
ortsansässigen Arbeitern die Schamotteproduktion mit Handformerei, Hand-
und Spindelpressen. Eine elektrische Zentrale versorgte die Fabrik mit
dem notwendigen Strom. Große Dampfmaschinen trieben elektrische
Generatoren an. Hier bekam die arbeitende Bevölkerung zum ersten Male
Glühlampen zu Gesicht.
Zur gleichen Zeit entstand die
Direktoren-Villa an der Ecke Waldstraße Ebernhahner Straße ganz aus
Backsteinen erbaut.
In dem Gebiet zwischen Ebernhahn, Siershahn
und Wirges entstanden große Tagebaue auf Ton aber auch in
Glockenschachtfeldern wurde die Tonerde gewonnen. Schon seit 100 Jahren
gab es in Wirges zahlreiche Krugbäckereien, die ihre Tonkrüge an
bekannte Mineralbrunnen im Lahngebiet und in den Taunus lieferten.
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Im Jahre
1894 beschloß die
Verwaltung den Bau einer Glasfabrik und einer chemischen Fabrik, in
denen 600 Arbeiter Beschäftigung finden sollten. Mitte November
1895 folgte die
Herstellung von Flaschen und Großglas, Ballonflaschen für chemische
Erzeugnisse. Es handelte sich um 4 Schmelzwannen Dralle’scher Bauart.
Ende 1896 waren hier
über 1000 Arbeiter beschäftigt. Da es in dieser Region keine
Glasfachleute, Glasbläser, gab, warb man diese in den Ostgebieten des
Deutschen Reiches, in Ostpreußen, Böhmen und Schlesien an. Gleichzeitig
entstanden Wohnungen für diese Arbeiter, die mit ihren Familien in den
Westerwald kamen. Zusammen mit dem Aufbau der Glasfabrik entstanden die
Arbeiter-Siedlungen Vor der Asbach I und II sowie Am Dornberg I. In den
Werkseigenen Wohnungen lebten 1896
122 Familien mit 683 Personen. Weitere 82 Wohnungen sollten gebaut
werden. Am Dornberg II und III
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1896 gründete das Werk
eine eigene Werkfeuerwehr, die auch im öffentlichen Interesse tätig war.
1897 nahm die
chemische Fabrik ihre Produktion auf. Hergestellt wurden schwefelsaure
Tonerde, Schwefelsäure und Berliner Blau. Die Glasfabrikation dehnte
sich weiter aus, eine fünfte und sechste Wanne wurde
1897 in Betrieb
genommen. Mit dem Zuzug weiterer Arbeiter wurden neue Wohnhäuser gebaut.
Mit den Dornbergstraßen II und III vergrößerte sich die
Arbeitersiedlung.
Die
Gebäude für die Beamten und die Meisterwohnungen (heutige
Siemensstraße) bildeten eine ganze Straßenflucht, direkt neben dem
umfangreichen Werksgelände. Die Arbeitersiedlung umfasste 5 Straßenzüge
mit zusammen 400 Arbeiterwohnungen.
Weitere Wohngebäude entstanden in der Waldstraße und die Neue
Straße
Im
Jahre 1898
beschäftigte das Unternehmen 1700 vorwiegend männliche Arbeiter,
einschließlich der Bauarbeiter und war damit das größte
Industrieunternehmen im Unterwesterwald.
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Die
Zweigniederlassung Wirges der „Fabrik feuer- und säurefester Produkte
Aktien Gesellschaft mit dem Sitz in Vallendar“ umfasste im Jahre
1898 vier verschiedene
Betriebe:
1. Die Chamottefabrik
Die
Fabrikationshallen lagen direkt neben den Tongruben, welche zum
Unternehmen gehörten. Aus der im Tagebau betriebenen Hauptgrube wurden
die Tonschollen mit einer kurzen Seilbahn von der Sohle der Grube direkt
in die Fabrik befördert.
In
späteren Jahren besorgten diese Arbeit kleine Feldbahnen mit Benzol- und
Diesellokomotiven in 600 mm Spurweite.
In
vier Öfen wurde der Ton zu Chamotte gebrannt, daraus wurden anschließend
normale oder größere Steine geformt. Diese Chamotte wurden dann in sechs
liegenden Öfen und zwei Kammeröfen zu je 18 Kammern gebrannt. Wegen der
großen Nachfrage war im Jahre
1898
ein Erweiterungsbau im Gange
2. Die Glasfabrik In
der Glasfabrik waren fünf Wannen in Betrieb und drei im Bau. Alle waren
für Gasfeuerung
eingerichtet. Neben Wein, Bier und Mineralwasserflaschen, wurden auch
Ballonflaschen für Säure hergestellt. Die Arbeitsbühnen der großen
Wannen hatten 42 Arbeitsplätze. Eine Wanne fasste 10-12 Doppelwagen
flüssiges Glas, das auf 1700 Grad erhitzt wurde. In der Fabrik wurde in
Tag- und Nachtschicht gearbeitet. Die Gesamtproduktion in Wirges betrug
etwa 7000 Flaschen.
3. Die Verschlußfabrik
In
der Verschlussfabrik wurden Verschlüsse für Bierflaschen und andere
Flaschen hergestellt. Das Abschneiden und Biegen des Drahtes wurde zum
Teil Automatisch von Maschinen besorgt. Ein Arbeiter stellte auf einer
Unterbügelmaschine für Handbetrieb täglich 10.000 Stück und auf einer
Oberbügelmaschine 5.000 Stück Drahtbügel her.
4. Die Chemische Fabrik Hergestellt wurden schwefelsaure Tonerde, Schwefelsäure und Berliner
Blau.
Sie
brannte im Jahre
1898
vollständig ab und wurde nicht wieder aufgebaut.
Die
damals üblichen Handwerksbetriebe, wie Schreinerei, Schlosserei,
Schmiede und ein großes Magazin gehörten selbstverständlich auch dazu.
Die damals größte Fabrik im Westerwald dehnte sich auf einer Fläche von
20 ha aus.
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Die
Glasfabrik erwies sich als ernsthafte Konkurrenz zur Krugfabrikation des
Kannenbäckerlandes. Viele Mineralwasserbrunnen bezogen die Tonkrüge aus
dem Westerwald. Allein im Jahre 1875 lieferten die Wirgeser Krugbäcker
für 70.000 Mark Krüge an den fiskalischen Brunnen in Selters.
Mit der Glasproduktion trat eine
ernsthafte Konkurrenz der keramischen Krugproduktionen auf. Noch um 1900
wurden in Ransbach, Baumbach, Höhr-Grenzhausen, Hilgert, Siershahn,
Mogendorf und Wirges 10 Mio Tonkrüge für diverse Mineralbrunnen
hergestellt.
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Im
März 1901 wurde von
der Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen den Generaldirektor
Böing von der Fabrik feuer- und säurefester Produkte AG wegen
Bilanzfälschung, erhöhte Dividendenauszahlungen, Unterschlagung von
Geschäftsunterlagen und unberechtigter Erhöhung der Gehälter und
Tantiemen für sich und seinen Bruder eingeleitet. Der Gesamtverlust
hatte über 7.000.000 Mark betragen. Nach Abzug der Rücklagen handelte es
sich immer noch um die Summe von 3.193.000 Mark.
Über
1400 Arbeiter waren im Sommer 1901
entlassen worden und die noch Beschäftigen bangten um ihren
Arbeitsplatz.
(Quelle: Kreisblatt des Unterwesterwaldkreises 1901)
Im
Sommer 1901 hatte es
einen Generalstreik der Glasmacher gegeben. Das Zweigwerk der Fabrik
feuer- und säurefester Produkte AG in Wirges hatte sich an dem Streik
nicht beteiligt, weil die Gesellschaft nicht zum Glassyndikat gehörte.
Diesem Umstand war es zu verdanken, das in Wirges der gesamte
Lagerbestand abgebaut werden konnte.
(Durch
Mißwirtschaft der Direktion, nicht wegen eines Streiks, wie in manchen
Publikationen immer behauptet wird, geriet die Firma 1901 in Konkurs.
Quelle Kreisblatt des Unterwesterwaldkreises 1901).
(Gerichtsverfahren gegen die Gebrüder Böing
fanden 1907 in Berlin statt Quelle
Kreisblatt des Unterwesterwaldkreises 1907)
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Geschichte
der Wirgeser Glasfabrik Teil 2 von 1902-1957
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Am
30. November 1901 fand
in Dresden eine außerordentliche Generalversammlung der
„Aktiengesellschaft für Glasindustrie, vormals Friedrich Siemens statt,
und ermächtigte mit großer Mehrheit den Vorstand, die „Fabrik feuer- und
säurefester Produkte AG in Vallendar“ zu erwerben.
Damit gingen die Fabrikanlagen in Wirges in den Besitz von SIEMENS-GLAS
über.(Quelle:
Nassauische Annalen Band 95, 1984 ab Seite 297)
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